Frauen am Unterstrass: Mägde, Hausmütter, Handarbeitslehrerinnen, Dozentinnen

Zürich, 14.07.2019

Sie waren vom ersten Tag an zwar zentral für den Betrieb, aber sie sind weder auf Bildern noch in den Jahresberichten und Schriften sichtbar: die Frauen. Luise Bachofner-Stiefel und nach deren Tod Anna Bachofner-Buxtorf amteten als «Hausmütter», also als Internatsleiterinnen und Leiterinnen der Hauswirtschaft. Sie arbeiteten ehrenamtlich, dafür umso intensiver.

Sie waren vom ersten Tag an zwar zentral für den Betrieb, aber sie sind weder auf Bildern noch in den Jahresberichten und Schriften sichtbar: die Frauen. Luise Bachofner-Stiefel und nach deren Tod dann Anna Bachofner-Buxtorf amteten als «Hausmütter», also als Internatsleiterinnen und Leiterinnen der Hauswirtschaft. Sie arbeiteten ehrenamtlich, dafür umso intensiver.

In der Rechnung verzeichnet sind auch Mägde, die wohl Haushaltsarbeiten verrichtet haben, aber sonst nicht genauer beschrieben werden. An der Übungsschule des Seminars gab es aber schon früh gemischte Klassen, die Einführung in die Handarbeit wurde «Fräulein Merz» anvertraut und in somit weibliche Hände gelegt. Sie ist die erste Lehrerin, die in den Archiven verzeichnet ist.

Die Dozentin Bettina Gross erforscht für eine Dissertation die Geschichte von unterstrass.edu und hat anlässlich des Jahresabschlusses für die Mitarbeitenden Spuren von Frauen am Unterstrass ans Licht gebracht. Am meisten ist von den Hausmüttern Bachofner bekannt. Die erste, Luise Stiefel, heiratete den ersten Direktor Heinrich Bachofner 1860. Das Paar hatte nicht nur selbst eine Tochter und sieben kleine Söhne, von denen drei in der Kindheit starben, Luise Bachofner wurde auch Mutter für die Internatszöglinge, die wie Quellen zeigen, sehr an ihr hingen:

«Sie kümmerte und sorgte für jeden einzelnen Zögling; wo es ihnen an Kleidern, an Wäsche fehlte, da half sie. Sie achtete auf ihre grossen und kleinen Anliegen, sie verstand mit den Augen der Liebe im Grund der Seele zu lesen. Darum schlossen sich die Zöglinge ganz an sie an, sie sagten ihr alle Geheimnisse, ihre Erfahrungen, ihre klugen und törichten Wünsche und Hoffnungen, ihre Klagen und ihren Verdruss. (...) Darum hatte sie auch eine merkwürdige Macht über ihre ‚grossen Söhne’; diese richteten sich unwillkürlich nach ihren Wünschen und nahmen so eine edlere Haltung an.»

Frauen lesen im Grund der Seele

Die Rolle als liebevolle und verständnisvoll-besorgte Hausmutter war eine typisch weibliche zu dieser Zeit. Aber auch Luises Tod war es: Sie starb nach der Geburt des achten Kindes an Kindbett. Bachofner heiratete 1.5 Jahre nach Luises Tod 1874 erneut. Anna Buxtorf, eine sehr gebildete Frau, gebar Bachofner drei Kinder. Buxtorf schrieb sehr erfolgreich Mädchenliteratur und Frauenporträts: War sie gar emanzipiert?

Ein kleines Denkmal hat sie ihrem Mann in Form eine Biographie errichtet.

Ab den 1930er Jahren wurden die Frauen auch ausserhalb des häuslichen Bereichs und ausserhalb von «typisch weiblichen» Arbeiten sichtbar. 1933 wurde «Fräulein» Gertrud Schmid die erste Übungsschullehrerin. Frau Käch wurde 1935 in der Buchbinderwoche die erste Dozentin.

Heute hat sich das Frau-Mann-Verhältnis am Institut beinahe umgekehrt: Es gibt 31 Dozentinnen und 9 Dozenten. Am Gymnasium ist das Verhältnis fast ausgeglichen: 23 Lehrerinnen stehen 21 Lehrern gegenüber. In der Schulleitung ist eine von vier Stellen mit einer Frau besetzt.

Wie sieht es mit den heutigen Hausmüttern aus? Noch im Bewerbungsverfahren von 1989 waren die Frauen der Interessenten mit eingeladen. Die Frau von Jürg Schoch äusserte dort klar, dass sie nicht Hausmutter werden und nach Zürich ans Seminar ziehen wollte. Ob sie mit dem Traditionsbruch gar seine Bewerbung gefährdet hat? Auf jeden Fall wollte sie eine eigenständige Berufslaufbahn verfolgen. Der Vorstand hat das ganz offensichtlich akzeptiert. Die Familie Schoch wohnte nie im Seminar.