Bauprojekt – Studienauftrag Campus unterstrass.edu

Seit 1904 ist unsere Institution auf dem Gelände zwischen der Seminarstrasse und der Rötelstrasse zu Hause. Die Veränderungen der Ausbildung unserer Schülerinnen, Schüler und Studierenden und das Wachstum der Institution haben immer wieder baulichen Massnahmen erfordert. Nun stehen wir wieder einmal vor einer grösseren baulichen Herausforderung: Das Zwischengebäude und die Turnhalle müssen saniert werden, der im Jahr 2020 errichtete Pavillon ist ein Provisorium mit zeitlich begrenzter Genehmigung und wir verfügen über keinen Raum, der für die Matur- und Diplomfeiern unserer gewachsenen Institution genügend gross ist. Der Vorstand unseres Trägervereins hat deshalb nach sorgfältigen Vorprüfungen einen Studienauftrag ausgeschrieben, in dessen Rahmen sechs Vorschläge von Architekturbüros ausgearbeitet worden sind.

Voraussetzungen für die tatsächliche Umsetzung dieses baulichen Projekts sind die Genehmigung durch die Mitgliederversammlung unseres Trägervereins und das Vorhandensein der nötigen finanziellen Mittel. Die baulichen Massnahmen würden frühestens im Jahre 2026 beginnen.

Ausgangslage und Anlass

Institution

In Quartier Zürich-Unterstrass führt der Verein für das Evangelische Lehrerseminar Zürich unter dem Namen unterstrass.edu eine staatlich anerkannte Bildungsstätte. Auf der Parzelle Kat.-Nr. UN5032 zwischen der Seminar- und Rötelstrasse bilden verschiedene Bauten den Campus und beherbergen ein Institut zur Ausbildung von Vorschulstufen- und Primarlehrpersonen, ein Gymnasium mit den drei Profilen Musisch (Schwerpunktfach Musik oder Bildnerisches Gestalten), Philosophie/Pädagogik/Psychologie und Naturwissenschaften+ (Magna) sowie die Gesamtschule Unterstrass (von der Gesamtschule Unterstrass AG geführt). Die Nachhaltigkeit der Ökologie, Ökonomie und Soziales haben für unterstrass.edu einen besonders hohen Stellenwert. Das sukzessiv gewachsene Ensemble sowie die zum Teil unter Schutz stehenden Grün- und Freiräume am Campus unterstrass.edu weisen heute einen unterschiedlichen Sanierungs-/ Erhaltung- und Erneuerungstand auf.

Historische Entwicklung

1869 gründet sich die Institution unterstrass.edu in Form eines Evangelischen Lehrerseminars und bietet eine Alternative zu dem liberal geprägten Zürcher Bildungssystem. Mit anfangs sechs Seminaristen wächst das Seminar in den nächsten Jahren beständig und bezieht 1904 das heutige Hauptgebäude. Schon früh standen das nachhaltige Wachstum sowie der räumlich-persönliche Bezug der Lehrenden und Lernenden im Zentrum. Das Seminar war neben den Klassenräumen als Wohnstätte mit tagesfüllendem Programm für die Schülerinnen und Schüler konzipiert. Von Anfang an wurde eine ganzheitliche Bildung angestrebt:

Neben dem Erwerb von Wissen wurde der Auseinandersetzung mit Religion und Werten sowie kreativen und sportlichen Aktivitäten viel Raum gegeben. Somit diente der Frei- und Grünraum auf dem Areal schon von Beginn als Pausenhof und neben der Kontemplation
auch für verschiedenste Sportnutzungen.

Werte und Leitbild

Die Institution unterstrass.edu ist ihren Werten dem räumlich-persönlichen Bezug der Dozierenden, Lehrpersonen, Mitarbeitenden sowie Schülerinnen, Schüler und Studierenden treu geblieben und hat ihr Profil sowie gesamtheitliches Bildungsangebot am Standort arrondiert. unterstrass.edu ist eine private Institution, welche allen Kreisen der Bevölkerung offen steht. Ein weiteres quantitatives Wachstum der Klassen und Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums und der Studiengänge und Studierenden des Instituts wird nicht gesucht. Die Institution unterstrass.edu ist nicht gewinnorientiert und daher auf finanzielle Zuwendungen von aussen angewiesen.

Kontext

Seit ihrer Eingemeindung im Jahr 1893 haben sich die Quartiere Wipkingen und Unterstrass unterschiedlich entwickelt. Mit der Neuordnung der Zürcher Stadtkreise im Jahre 1913 wurde die Parzelle, auf der sich die heutigen Liegenschaften von unterstrass.edu befinden, dem Quartier im Kreis 6 zugeteilt. Das damalige Spannungsfeld zwischen dem städtisch geprägten Unterstrass und dem bäuerlich geprägten Wipkingen schlug sich auch in der Gestaltung der Schulanlage nieder. So wurde das Hauptgebäude (heute vor allem das Gymnasium), als imposanter Neubarockbau mit Eckrisaliten und kleinem Dachreiter, 1904 in der Parkanlage mit altem Baumbestand mit einer repräsentativen Strassenfassade vom Architekten Robert Zollinger ausgebildet, während auf der Wipkingerseite eine lockere Bebauungsstruktur mit grosszügigen Grünflächen das Erscheinungsbild prägt. Die Gärten bilden so den gegenüber liegenden Blockrandbauten von Unterstrass ein grünes Vis-à-vis.

Der Haupteingang lag an der Rötelstrasse, von dort führt eine eindrückliche Freitreppe auf eine plateauartige Ebene, welche sich vor dem Schulgebäude befindet. Die gesamte Umgebung war allseitig dicht mit Gehölz umfasst. Mit dem Erwerb der südöstlichen Nachbarparzelle (1918) vergrösserte sich der Garten. Ein Teil der Gartenanlage steht heute unter Denkmalschutz.

Das Quartier zwischen Rötel-, Rotbuch- und Seminarstrasse zeigt sich noch heute stilistisch und typologisch heterogen ausgebildet. In ihm befinden sich vorwiegend Ein- und Mehrfamilienhäuser aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, welche als Solitäre in lockerer
Bebauung die Strassen säumen und von grossen Gärten umgeben sind. Der Baumbestand der historischen Anlage verbindet noch heute die einzelnen Teilräume übergeordnet zu einem zusammenhängenden und orientierungsstiftenden Frei- und Grünraum in Unterstrass.

Ziele

Mit vorliegendem Projekt beabsichtigt unterstrass.edu, den bestehenden Campus zu erneuern und die Liegenschaften und Freiräume für die Zukunft zu rüsten. Auslöser sind verschiedene räumliche Bedürfnisse, die Neuorganisation von Schulleitung und Verwaltung sowie der notwendige Ersatz für das bestehende Provisorium, welches nur bis Ende 2027 bewilligt wurde. Die Hauptziele des Vorhabens sind:

  • Die Sanierung oder Erneuerung der Bauten aus den 70er-Jahren (Zwischenbau und Turnhallennebenräume).
  • Die Umsetzung der Idee Campus-Zentrum (Konzentration Schulleitung und Verwaltung).
  • Die Entflechtung der Betriebsabläufe von Mensa und Gesamtschule (GSU).
  • Der Rückbau des Pavillons Magna (zeitlich befristete Bewilligung bis Ende 2027).
  • Die Aufwertung der Freiräume.
  • Erweiterung der Turnhalle zu einer Mehrzweckturnhalle (Mehrfachnutzung für Grossanlässe
    bis zu 400 Personen).

Im Rahmen eines Studienauftrag nach SIA 143 sollte die beste Lösung für die nachfolgend
umschriebene Aufgabenstellung gefunden werden.

Aufgabenstellung

Die Aufgabenstellung bestand aus drei Teilaufgaben

Die Teilaufgabe 1 «Mehrzweckturnhalle» besteht aus der Umnutzung, Sanierung und Erweiterung der bestehenden Turnhalle zu einem mehrfachnutzbaren Raum für den Sportunterricht und für Grossanlässe der Schule. Im gleichen Zug soll die unbefriedigende Situation der Garderoben und weiteren Zusatzräumen für den Sportunterricht gelöst werden. Gleichzeitig bedarf es für die Erweiterung der Turnhalle einer angemessenen Vorzone und Nebenräume.

Die Teilaufgabe 2 – «Zwischenbau» besteht aus der Realisierung eines Schulleitungs- und Verwaltungszentrums sowie zusätzlicher Räume für die Gesamtschule. Die Bauherrschaft kann sich eine Umnutzung und Sanierung des Zwischenbaus vorstellen. Sollte sich zeigen, dass ein Ersatzneubau an gleicher Stelle einen markanten Mehrwert bringt, ist sie auch offen für solche Lösungen. Von den eingeladenen Teams wird auf alle Fälle eine sorgfältige Prüfung der Optionen und Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung erwartet.

Die geplante Erneuerung der genannten Bauten im Herzen der Schulanlage eröffnet die einmalige Chance, die Idee eines Schulcampus weiterzutreiben. Gleichzeitig soll durch den Rückbau des Pavillons das Sportangebot im Freiraum erweitert werden. Der Ersatz der wegfallenden Schulräume des Pavillons erfolgt mittels Rochaden im Hauptgebäude und ist damit nicht direkt Teil der Aufgabenstellung. In diesem Sinne besteht die

Teilaufgabe 3 – «Campus» aus dem Vernetzen, Zusammenbinden und Öffnen der Gebäude zueinander und aus der Gestaltung der Freiräume. Der Perimeter soll gesamtheitlich gedacht und entwickelt werden. Die bestehenden Grünflächen sollen erhalten, in ihrer Nutzung aber weiterqualifiziert und zugänglich gemacht werden.

Gewinnerprojekt

Empfehlung zur Weiterbearbeitung

Architektur: ZOO (CRRA Studio, Boris Gusic Architekten), Zürich

Baumanagement: Raguth Baumanagement GmbH, Zürich

Landschaftsarchitektur: MØFA studio, Zürich

Neben der bestehenden Zugangstreppe führt neu eine flache Rampe von der Seminarstrasse her direkt auf das Turnhallendach und erschliesst den umgebauten Zwischenbau an zentraler Stelle. Die Volumetrie des Neubaus im Gelenk der beiden gut fünfzigjährigen Bestandesbauten verschafft der Anlage zusammen mit einem neuen Schattendach auf der Turnhalle eine neue Qualität der Ankunft auf dem Campus mit Sichtbezug auf den baumbestandenen Hof und den Altbau von 1904. Zwei weitere Rampen führen auf den Schulhof und von dort direkt zum neuen Hauptzugang im umgebauten Zwischenbau. Die leichte Anhebung des Hofes verschafft der Schule mit zurückhaltenden Mitteln einen neuen Auftritt und eine Stärkung der Adressbildung. Dazu gehört auch die Verbreiterung des Hofes hin zur Mehrzweckhalle, die für eine angenehme Grosszügigkeit sorgt, die der campusartigen Anlage angemessen ist.

Der Entwurf macht den zentralen Hof zum Herz der campusartigen Anlage. Er wird auf die Höhe der Eingänge angehoben und konsequent bis an die Fassaden geführt. Dadurch bekommt er eine wohltuende Grosszügigkeit und wird durch die flexible Bespielbarkeit aktiviert. Die neu locker gruppierten Grossbäume lösen sich bewusst von den strengen Linien der historischen Anlage und schaffen damit eine entspannte Atmosphäre. Das Baumdach bildet einen fliessenden Übergang in den Grüngürtel, der sich vom Seminar bis zum Belvedere vor dem historischen Gymnasiumbau zieht.

Dieser Freiraum wird als Einheit gelesen und durch wenige subtile Eingriffe aufgewertet. Auf eine Inszenierung des Hartplatzes wird verzichtet und die Terrasse vor dem Eingang Rötelstrasse wird mit einigen wenigen Aufenthaltsbereichen und einer neu interpretierten Pflanzung atmosphärisch dem altehrwürdigen Bau angenähert. Der Zugang von der Seminarstrasse führt auf die durchgehend mineralisch gehaltene und etwas trostlos wirkende Terrasse, die als Pausenbereich genutzt werden soll. Ein freistehendes Dach schafft hier Aufenthaltsqualität und setzt räumlich einen gelungenen Schwerpunkt. Das Thema der Nachhaltigkeit im Freiraum wird im Entwurf zwar angeschnitten, kommt aber insgesamt zu kurz. In der Weiterentwicklung sollte es als Teil eines integrativen Gesamtsystems begriffen und umgesetzt werden, beispielsweise in der Anwendung des Schwammstadtprinzips.

Die Bearbeitungstiefe des Freiraumentwurfes lässt, vor allem in der Ausarbeitung der Topografie, noch einige Fragezeichen zurück, was für den Gesamteindruck der Abgabe bedauerlich ist, im weiteren Entwurfsprozess jedoch Spielräume für das partizipative Feinjustieren der Umgebungsqualitäten schafft.

Der Entwurf überzeugt durch seine räumliche Grosszügigkeit, durch die gekonnte Setzung von gestalterischen Schwerpunkten und das gelungene Miteinander von Freiraum und Architektur.

Eine zentrale Schwierigkeit für die Weiternutzung des ehemaligen Internatsgebäudes liegt bei dessen geringen Raumhöhen. Die Projektverfassenden machen hier einen gewagten Vorschlag, indem sie den ganzen Bau horizontal auftrennen und das Erdgeschoss hydraulisch um einen Meter anheben. Gelingt dieses Unterfangen, kann der beengende Rahmen des Bestandes gesprengt werden. Es entsteht ein grosszügiges helles Foyer als zentraler Ankunftsort zur Schulanlage. Mit dem neuen Foyer steht der Schule auch ein weiterer Grossraum zur Verfügung, der flexibel genutzt werden kann. Das Anheben des Gebäudes wird mit der Ausformulierung der Stützen im Innern auch gestalterisch zum Thema gemacht.

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