«Danke Fatou Diome: Sie haben uns mit Ihrer Präsenz erhellt.»

Ein Treffen mit der Autorin Fatou Diome

Zürich, 29.03.2019

Der offene Blick in die ganze Welt gehört zu Unterstrass. Deshalb ist das Gymnasium Unterstrass auch eine UNESCO-Schule. Der Besuch der franko-senegalesischen Autorin Fatou Diome am Mittwoch passte perfekt.

Fatou Diome besuchte am Mittwoch die dritten und vierten Klassen des Gymnasiums. Sie wirbelte mit 15 Minuten Verspätung singend, scherzend und lachend in den Theatersaal.

Sie stellte gleich klar, dass es ihr nicht darum geht, aus ihren erfolgreichen und bei renommierten Verlagen erschienenen Romanen wie «der Bauch des Atlantiks» («Le ventre de l’Atlantique») vorzulesen und Bücher zu verkaufen: «Ich bin hier, um euch Mut zu machen!», erklärte Diome. «Folgt eurer Leidenschaft, verfolgt eure Träume. Ihr seid jung: zeichnet, malt, musiziert!» Sie selbst sei immer schon verrückt nach Büchern gewesen. Sie erzählte, wie es dazu kam, dass ein Mädchen, das auf einer kleinen senegalesischen Insel bei den Grosseltern aufgewachsen ist, ohne irgendwelchen Rückhalt zu einer bekannten Autorin wurde. Fatou Diome besuchte das Lycée zuerst heimlich, später mit Einwilligung der Grosseltern. Sie absolvierte in Senegal die bestmöglichen Schulen, indem sie nebenher arbeitete. Mit 22 heiratete sie einen Franzosen und landete – ihm nach Frankreich folgend – in einer Welt, die für sie «hübsch und gleichzeitig kalt» war. Sie erlebte Rassismus und kämpfte mit der Ablehnung der Schwiegermutter, die mit ein Grund war, warum ihre Ehe nur kurz dauerte. Trotz der vielen Hindernisse schlug sie sich in Frankreich durch, lebte von Putzjobs und studierte Französische Literaturwissenschaften. Sie schrieb ein Doktorat und begann danach selber literarische Werke zu publizieren. In der Literatur habe sie die menschliche Existenz studiert, die völlig unabhängig von der Rasse und Religionszugehörigkeit auf der ganzen Welt gleich sei. Sie respektiere Menschen, genauso wie sie Meinungen akzeptiere, die sich von der ihren unterschieden: Das gehöre zur Demokratie, auch wenn sie sich nie mit Marine Le Pen anfreunden werde, erklärte sie lachend. «Sogar meine rassistische Schwiegermutter bekommt meinen Respekt. Aber in einer Demokratie ist es auch erlaubt, gegen Rassismus zu kämpfen.» Rassismus gebe es überall auf der Welt, in Afrika genauso wie in Frankreich.

Eine Botschafterin für Toleranz

Fatou Diome wurde von ihrer humanistischen Bildung geprägt. Die weibliche Autorin aus dem Senegal ist zu einer modernen Vertreterin der Aufklärung geworden. Auf die Frage, welche Bücher sie besonders gerne gelesen habe, erklärte sie, dass sie stark von Autoren aus dem Zeitalter des Lichts wie Voltaire und Montesquieu geprägt worden ist.

Fatou Diome bekämpft mit ihrer Literatur Vorurteile gegenüber Nationalitäten und Religionen und glaubt an den grossen Wert von Bildung. Auf die Frage, was sie am Leben in Frankreich im Vergleich zum Senegal am meisten schätze, erklärte sie, sie liebe Frankreichs Bibliotheken. Das Schönste an ihrem Leben in Frankreich sei, dass sie in der Universitätsbibliothek ein Buch bestellen könne und es von einer anderen Bibliothek der weiten Welt den Weg zu ihr finde. In der Bibliothek ihres Heimatdorfes habe es gerade mal zehn Bücher gehabt.

Der Wert der Bildung

Die Autorin erklärte, sie habe nie aus Ehrgeiz studiert – sie habe es nicht getan, um an Reichtum zu kommen. Fatou Diome forderte die Schülerinnen und Schüler auf, es ihr gleich zu tun. Man solle sich ausschliesslich selbst Versprechen geben und Lebensziele für sich selbst erreichen wollen. Das sei ihr Glücksrezept: «Es ist wichtig für einen selbst, in die Schule zu gehen und sie nicht für die Aussicht auf ein gutes Auto zu absolvieren.» Sie habe so auch ihre Bücher sich selbst versprochen und nicht einem Verlag. Und sie habe sich dazu entschieden, glücklich zu sein und sich dem Leben zuzuwenden, auch wenn sie sich ab und zu wie alle anderen Menschen auch passioniert der Traurigkeit hingebe.

Fatou Diomes leidenschaftlicher Auftritt wurde von den Schülerinnen und Schülern mit grossem Applaus belohnt.