Bald werden erste écolsiv-Studierende wie hier Lucien Le eine Stelle als Schulassistent/-in suchen.

écolsiv auf dem Sprung in die Berufspraxis

Zürich, 11.11.2019

Assistent/-in an einer Schule werden! Derzeit sind es sechs Studierende, die sich mit diesem Ziel am Institut Unterstrass ausbilden lassen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie eine kognitive Beeinträchtigung oder Lernbehinderung haben. Seit zwei Jahren ist das Projekt in der Versuchsphase. Nun kommt es zur Bewährungsprobe.

Der erste écolsiv-Absolvent wird bald an einer Schule eine Stelle suchen. So stellen sich für das Projekt neue Anforderungen. Es braucht beispielsweise Job-Coaches, die helfen, eine Bewerbung zu schreiben und die den Abgänger/-innen an ihren ersten Schultagen beiseite stehen. Ganz ohne Begleitung wird es für die Abgängerinnen und Abgänger nicht gehen. Nach dem Abschluss haben diese ein Diplom in der Tasche, das ihnen bescheinigt, dass sie eine Assistenzausbildung im Schulbereich abgeschlossen haben. Mit einem persönlichen digitalen Portofolio können sie ausweisen, welche Tätigkeiten sie besonders gut können.

Matthias Gubler, der Leiter des Instituts Unterstrass, erklärt an einem écolsiv-Austausch, dass in den ersten beiden Ausbildungsjahren noch stärker als bei regulären Studierenden einbezogen werde, was sie mitbringen und was sie gerne machen. Im dritten Ausbildungsjahr, in dem sich derzeit der Student Lucien Le befindet, werden die Kompetenzen gefestigt.

Aus Assistenzeinsätzen in Praktika hat sich bei den derzeit sechs écolsiv-Studierenden gezeigt, wie sie besonders gut eingesetzt werden können.

Cornelia Maccabiani, die neue Studiengangsleiterin, erklärt, dass sich die écolsiv-Studierenden zu Beginn der Ausbildung nicht viel zutrauen. «Die écolsiv-Studierenden realisieren, dass Kinder fachlich oft mehr können als sie». Deshalb fühlen sie sich im Kindergarten und der Unterstufe wohler. Dass diese Studierenden ihre Kompetenzen eher unterschätzen, zeigt aber eine erste Evaluation.

Schüler/-innen sagten beispielsweise, dass ihr/e Assistent/-in «sehr nett war» und sich nie über falsche Antworten geärgert habe. «Sie waren für mich wie ein Lehrer. Sie haben uns Kindern geholfen und mit Ihnen war es mega schön», erklärte eine Schülerin ihrem Assistenten. Auch die Lehrpersonen, die in Assistenzpraktika mit den écolsiv-Studierenden zusammengearbeitet haben, loben die hohe Sozialkompetenz.

Kreativ Anforderungen meistern

Das allein reicht aber nicht aus. Matthias Gubler betont, dass es das Ziel sei, dass die ausgebildeten Assistent/-innen einen Nutzen bringen und den Lehrpersonen Arbeit abnehmen. Sie hätten in Praktika bereits Aufgaben übernommen wie den Znüni vorzubereiten, die Schüler/-innen beim Anziehen zu unterstützen, mit ihnen zu singen, zu basteln und auch Aufgaben zu lösen. Gelegentlich habe es beim Anleiten kreative Hilfe von den Lehrpersonen gebraucht. Gubler bringt als Beispiel, wie eine Praktikumsbetreuerin sich kurzerhand selbst bei der Vorbereitung des Znünirituals gefilmt habe und der Assistent so abschauen konnte, wie die Abläufe sind.

Diese Einsätze sind durchaus auch für die Studierenden herausfordernd. Eine écolsiv-Studierende sagt aber, dass sie endlich machen könne, was sie gerne macht: «Vorher habe ich einfach nur Briefe verpacken müssen, ich war gar nicht ich selbst. Dadurch, dass ich jetzt so viel Abwechslung habe, habe ich viel mehr Freude.»

In Zürcher Volksschulen sollen möglichst alle Kinder in normale Klassen gehen können. Es klingt daher nichts als logisch, dass es auch als normal angesehen werden soll, Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung an Schulen arbeiten zu lassen. «Noch ist es aber ein Tabubruch», erklärt Matthias Gubler.