Die Presse ist unter Druck, deshalb verschlechtert sich auch die Meinungsfreiheit, sind sich die Podiumsteilnehmer/innen einig.

«UNESCO-Schulen sollen zu einem mündigen Umgang mit Medien anleiten»

Zürich, 24.06.2019

70 Jahre ist es her, seitdem die Schweiz der UNESCO beigetreten ist. Die UNO-Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat dieses Jubiläum mit einer Tagung in Bern gefeiert, an der alle UNESCO assoziierten Schulen eingeladen waren. Das Gymnasium Unterstrass ist eine der ersten Schulen in Zürich, die in das UNESCO-Netzwerk eingetreten sind, mit dem es die Werte teilt.

Die UNESCO wurde nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges im Bewusstsein gegründet, dass die Einschränkung der Meinungsfreiheit und einseitige Propaganda, wie sie die Nazis und andere Kriegsparteien betrieben haben, unweigerlich zu Krieg führen. Die UNESCO wollte und will mit vereinten Kräften die Meinungsfreiheit verteidigen, die schweizweit und weltweit in den letzten Jahren zunehmend unter Druck gerät.

Meinungsfreiheit in Gefahr? Ja!

Das Thema einer der Podiumsdiskussion im Rahmen UNESCO Tagung klingt relativ unspektakulär: «Meinungsfreiheit und Medienpluralismus» in der Schweiz. «Meinungsfreiheit ist für uns scheinbar so normal wie die Luft, die wir atmen. Sie gehört zur DNA der Schweiz und ist in der Bundesverfassung verankert», sagte eine Vertreterin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) zur Begrüssung. Sie und die Podiumsdiskussionsteilnehmer/-innen aus dem Journalismus und der Forschung stellten aber fest, dass die Meinungsfreiheit in der Schweiz abnimmt und Journalist/-innen mit grossen Herausforderungen zu kämpfen haben. Die Verunglimpfung gegenüber den Autorinnen und Autoren von redaktionellen Beiträgen nimmt übers Internet rapide zu. Besonders Journalistinnen sind Cyber-Mobbing ausgesetzt. Rasch kommt in der Diskussion auch zur Sprache, dass sich besonders junge Menschen völlig unkritisch informieren. Somit kommen auch die Schulen ins Spiel, die bisher leider mit der Medienbildung in der sich rasch ändernden Medienlandschaft überfordert seien, erklärten die Podiumsteilnehmer/-innen. Deshalb seien gerade die Jungen relativ unkritische Mediennutzer. Information über das, was in der Schweiz und der Welt läuft, erfolge bei Digital Natives hauptsächlich übers Internet. Aber nur drei Prozent der Quellen, die mit Google angezeigt würden, führten überhaupt zu Medien. Gerade junge Menschen informierten sich so fast ausschliesslich über Themenbeiträge, die als PR von Firmen in Umlauf gebracht worden seien.

Medienbildung wird stiefmütterlich behandelt

Die Podiumsteilnehmer/-innen geben Schulen einen klaren Auftrag: «Es muss dringend im Unterricht analysiert werden, wie man erkennt, woher die Beiträge im Web stammen und was Qualitätsjournalismus ausmacht.» Dazu gehöre beispielsweise, dass immer mindestens zwei bis drei Quellen einander gegenübergestellt würden und der redaktionelle Beitrag relativ objektiv sei. Auch müsse darauf geachtet werden, von welchem Medienhaus der Text stamme und welche politische Ausrichtung es verfolge. Hier sahen sich aber auch die Diskussionsteilnehmer/-innen selbst in der Pflicht: Es sei kein Wunder, dass das Vertrauen in die Medien grundsätzlich sinke, wenn Medienunternehmen von Politikern wie Christoph Blocher aufgekauft würden. Oder wenn Zeitungen wie die NZZ von der Chefredaktion und den Aktionären der FDP diktiert die immer gleiche politische Meinung vertreten und gegen die immer gleichen Politiker «schiessen».

Schulen sollten unbedingt auch die Augen für Besitzverhältnisse der Medien öffnen. Zuletzt müsse aber auch das Bewusstsein geschärft werden, dass gute Information nicht gratis ist: Der ehemalige Chefredaktor der NZZ, Markus Spillmann fragte in die Runde: «Hand aufs Herz, wie viel Geld geben Sie für Kleider, Kaffee oder Kino aus, wie viel für guten Journalismus?» Früher sei man bereit gewesen, für Medien zu bezahlen. Mit dem Aufkommen der digitalen Medien verschwinde diese Bereitschaft immer mehr. Das sei ein Teufelskreis, der dazu führe, dass Medien immer weniger Geld zur Verfügung hätten, welches sie für vertiefte Recherchen dringend benötigten. Das schlage sich in der politischen Bildung der Bevölkerung nieder.

Gute Medien sind eine Voraussetzung der Demokratie

Studien zeigten, dass sich die Menschen heute zwar über politische Themen gut informiert fühlten. Wenn man aber ihr Wissen zur aktuellen Politik abfrage, hätten sie viel weniger Ahnung als Befragte vor 15 oder 20 Jahren. «Solche Befunde haben sicher auch eine Auswirkung auf die direkte Demokratie, die ohne breite Information der Bevölkerung undenkbar ist», erklärte Markus Spillmann.

Das Podium hat den UNESCO-assoziierten Schulen und somit auch dem Gymnasium Unterstrass den Auftrag gegeben, das stiefmütterlich behandelte Thema Medienfreiheit und Medienpluralismus fest in der Schulagenda zu verankern. Gefragt sei ein kritischer Geist, der hinterfragt, woher unsere Informationen stammen.