In Seifenblasen steckt viel Naturwissenschaft drin, die spielerisch vermittelt werden kann.

Nicht Igitt – sondern Hui: Bernd Faulstich fördert einen unverkrampften Umgang mit der Natur.

Eine Anglistin und ein Ingenieur mit neuer Berufung

Zürich, 01.07.2019

Am Donnerstag haben die Quereinstiegsstudierenden ihre Diplome erhalten. Sabine Hensel und Bernd Faulstich sind zwei von ihnen. Sie haben zwei ganz unterschiedliche Berufe ausgeübt und erzählen in Interviews, was sie daraus für ihre Jobs als Lehrpersonen mitnehmen.

Sabine Hensel: «Nach der Ausbildung ist vor der Weiterbildung»

Sabine, was war für dich der Ausschlag, oder vielleicht das Aha-Erlebnis, das in dir den Gedanken gefestigt hat, dass du eine neue Ausbildung machst?

Sabine Hensel: Nach mehr als zwölf Jahren im Journalismus, vielen Stunden vor dem Computer sitzend, nach meinem 43. Geburtstag, nach der Geburt unserer drei Kinder und nach dem erfolglosen Versuch, als Filmjournalistin oder beim Schweizer Fernsehen Fuss zu fassen, besann ich mich auf meinen ursprünglichen Berufswunsch Primarlehrerin. Meine Bewerbung für das Assessment schrieb ich in den kurzen Stillpausen unseres jüngsten Kindes.

Was hast du früher gemacht? Gehörst du auch zu denjenigen, die den herkömmlichen Job als zu wenig sinnstiftend wahrgenommen haben?

Nach meinem Studium an der Uni Zürich habe ich vorwiegend im Journalismus gearbeitet. Zumeist hatte ich zwei Teilzeitstellen mit je einem Pensum von je 40–50 Prozent: Ich habe noch während dem Studium bei einer damals neu lancierten Gratiszeitung als Korrektorin angefangen. Parallel dazu begann ich nach Studienabschluss bei einer Fernsehzeitschrift als Redaktorin und später zeitweise als Filmredaktorin. Später war ich zwei Jahre lang Moderatorin beim Regionalsender Tele Ostschweiz, und ein Jahr unterrichtete ich an einer Privatschule Englisch auf Sekundarstufe. Mein Berufswunsch war schon als Kind Primarlehrerin – ich stamme aus einer «Lehrer-Familie» im weitesten Sinne. Später war es mir wichtig, «etwas mit Sprache» zu machen, was ich als Redaktorin und Korrektorin bestens umsetzen konnte. Jedoch fehlte mir bald der direkte Austausch, ich wollte das Kommunikative auch auf mündlicher, nicht nur auf schriftlicher Ebene ein- und umsetzen.

Warum hast du nicht die Ausbildung zur Gymnasiallehrerin gemacht?

Einerseits konnte ich als Endzwanzigerin wenig mit Teenagern anfangen, andererseits war ich mir bewusst, dass Englischlehrerinnen nicht sehr gesucht sind, und ich hatte zudem kein geeignetes zweites Unterrichtsfach, wie es damals obligatorisch war. Tatsächlich empfand ich die Arbeit als Redaktorin und Korrektorin mit zunehmender Erfahrung als wenig sinnstiftend, zumal es mir aus verschiedenen Gründen nicht gelang, jobmässig dorthin zu gelangen, wo ich meinen Platz sah. Das Berufsfeld Journalismus ist ein spannendes, aber hartes Pflaster. Ich erlebte mehrfach Hindernisse: als Frau, als Akademikerin und als Mutter – und zudem bin ich nicht besonders gut im Ausfahren meiner Ellenbogen oder in Lohnverhandlungen.

Du hast als Quereinsteigerin während des Studiums schon jede Menge Berufserfahrung im Unterrichten gesammelt. Was magst du in deinem neuen Job am meisten?

Dass ich mit vielen unterschiedlichen Kindern und Menschen in Kontakt komme und zusammenarbeiten kann.
Dass ich die Kinder ein Stück auf ihrem Weg begleiten darf.
Dass kein Tag dem anderen gleicht und von Langeweile keine Rede sein kann.
Dass ich selber viel lerne und lernen darf, in vieler Hinsicht.
Dass ich den Bereich Schule und Bildung aus einer neuen Perspektive erlebe.
Dass ich vielseitig gefordert bin.

Dass meine kommunikativen und empathischen Fähigkeiten sowie meine Neugierde gefragt sind.

Dass ich endlich einen «Beruf» habe statt «nur» einen Studienabschluss.

Du bringst Familie, Ausbildung und eine Stelle als Lehrerin unter einen Hut: Wird das nie zuviel? Bist du froh, bald eine der Belastungen weniger zu haben?

Rückblickend habe ich keine Ahnung, wie ich es geschafft habe. Auch für meine Familie war es eine schwierige Zeit: Ich hatte für alle und alles zu wenig Zeit. Ohne Unterstützung meines Mannes wäre es nicht möglich gewesen, und dafür bin ich ihm sehr dankbar. Auch unsere Kinder (10, 7, 3 Jahre alt) mussten meine häufige Abwesenheit akzeptieren; ich freue mich, nun wieder mehr Zeit mit ihnen zu verbringen. Wie wir wissen, gilt als Lehrperson: nach der Ausbildung ist vor der Weiterbildung. Zuerst werde ich im Herbst das Übergangsmodul textiles Gestalten besuchen – nach mehr als 20 Jahren Strick-und-Näh-Pause bin ich gespannt darauf. Weiter interessiert mich – irgendwann in Zukunft – die Zusatzausbildung als DaZ-Lehrerin oder als Heilpädagogin.

Was erwartet dich beruflich?

Voraussichtlich kann ich in Kloten ein kleines Pensum an einer 1. Klasse übernehmen. Mein Wunsch ist es, mit Stefanie Hochuli als Tandem eine Klasse an der Unterstufe in der Stadt Zürich zu übernehmen. Ganz im Sinne des Networking: Wir sind offen für Angebote.

Bernd Faulstich: «Mein Ziel ist, Kindern Erfolge in Naturwissenschaften zu ermöglichen»

Wie kam es dazu, Bernd, dass du dich als Techniker für eine Ausbildung zum Lehrer entschieden hast?

Bernd Faulstich: Vor drei Jahren bot sich mir die Gelegenheit, Job-technisch «umzusteigen». Etwa zehn Jahre lang verdiente ich meine Brötchen als Test-Ingenieur. Ich programmierte Prüfanlagen für medizinische Geräte, Motoren, Hörgeräte oder Züge. Das Schöne daran war für mich die Abwechslung. Immer wieder tauchten neue Technologien auf, in die ich mich einarbeiten konnte. Aber auch die ehrenamtliche Kinder- und Jugendarbeit in den Ferien ist seit meinem 15. Lebensjahr ein fester Bestandteil. Auch diesen Sommer betreue ich etwa 16 von 200 Kindern in einem Ferientagheim. Im Vordergrund stehen dabei das gemeinsame Basteln, Spielen und der Wald.

Vor meinem Entscheid für das Zweitstudium gaben mir auf dem Jakobsweg einige Personen einen Rat: «Wenn du von deiner Arbeit erzählst bist du voll dabei, wirkst zufrieden und erzählst von spannenden Aufgaben. Aber wenn du von der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen erzählst, leuchten deine Augen. Hast du dir schon einmal überlegt, ob du professionell mit Kindern und Jugendlichen arbeiten möchtest?» So wurde die Arbeit im Ferientagheim der Auslöser für meine Berufung zum Lehrer.

Was nimmst du aus dieser Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit?

In den zwei Wochen Ferientagheim gibt es viele spannende Momente, in denen die Kinder erleben, wie viel Spass man in der Natur, mit Technik, Physik oder Chemie haben kann. Ob fotografieren, Bumerang bauen oder Seifenblasenflüssigkeiten mischen. Alles führt in unbekannte Wissensbereiche. Genau das ist auch mein Ziel als Lehrer: Kindern im Primarschulalter auf einfache Weise und mit viel Spass unvergessliche Erfolge in naturwissenschaftlichen Bereichen zu ermöglichen. So sind später die Fächer Design und Technik, Physik und Chemie positiv besetzt und die Schülerinnen und Schüler können sich unvoreingenommen auf diese einlassen.

Fördern möchte ich auch einen unverkrampften Zugang zur Natur und zu ungewohnten Materialien. Viele Kinder ekeln sich anfangs davor, mit den Händen Lehm aus der Erde zu graben, beim Papierschöpfen in die Pulpe zu fassen oder beim Schneckenrennen eine Weinbergschnecke am Schneckenhaus anzufassen. Haben sie aber bei anderen gesehen, dass es auch Spass macht, überwinden sie diese und später auch andere anerzogenen Ängste und sagen nicht von vornherein «Igitt».

Wie sieht dein Schulpensum im nächsten Schuljahr aus?

Ich arbeite nun zu 70 Prozent mit einer dritten Klasse. Wir werden im kommenden Schuljahr mit Wasser, Luft und Feuer experimentieren. Im Schulgarten werden wir die Erde und später die Elektrizität und den Magnetismus erforschen. Das Ziel ist das eigenständige Experimentieren und Forschen. Die Kinder beginnen mit Fragen, formulieren Vermutungen, experimentieren, beobachten, beschreiben, dokumentieren, suchen Begründungen und besprechen ihre Resultate, aus denen neue Fragen entstehen.

Für mein technisches Studium besuchte ich eine kleine Fachhochschule. Die Lehrenden kannten die Studierenden beim Namen. Das Gleiche habe ich auch am Institut Unterstrass erlebt. Man war persönlich sichtbar, wurde gefordert und gefördert und hatte im Praktikum immer Ansprechpartner/innen, die einem beratend zur Seite standen. Ich habe diese persönliche Ausbildung bewusst gewählt und bin froh, dass ich mich für das Studium als Quereinsteiger entschieden habe.