Gottfried Walter Hochstrasser
Meine Eltern Gottfried Emil Hochstrasser und Paula HochstrasserBräm haben am Anfang meines Lebens mit mir in Schlieren gewohnt, der Vater hatte eine Arbeitsstelle in Schlieren, meine Mutter war Handarbeitslehrerin im Aeugstertal. Sie ging frühmorgens zu Fuss nach Urdorf, fuhr mit dem Zug nach Affoltern und wanderte dann ins Aeugstertal zum Unterrichten. Am Abend der gleiche Weg zurück. Über zwei Stunden Arbeitsweg hin und wieder zwei Stunden zurück!
Unsere Familie zügelte dann mit dem Pferdefuhrwerk des Schlieremer Milchhändlers nach Affoltern. Wir waren Mieter bis 1934. Dann fanden wir im Hägler im eigenen Haus mit grossem Gemüsegarten unser endgültiges Daheim.
Zu dieser Zeit führte mein Vater ein eigenes Geschäft in Luzern. Er verdiente sein Geld mit Blau-Lichtpausen, dem Vorläufer des Kopiergerätes. In der grossen Krise verlor er dieses und nur dank der Festanstellung meiner Mutter konnte er in Burgdorf das Technikum absolvieren und wurde so eidgenössisch diplomierter Elektrotechniker. Anschliessend arbeitete er in Zug in der Landis und Gyr. Meine Mutter arbeitete weiterhin als Handarbeitslehrerin, jetzt in Affoltern.
So hatte ich schon als Kind ein gutes Vorbild einer gleichberechtigten Ehe, damals die grosse Ausnahme.
Meine Vorlieben hätte nicht vermuten lassen, dass ich einmal Lehrer werden würde. Die Schule nahm ich eher locker, viel lieber trieb ich «Allotria mit meinen Freunden». Ich war einfach lieber draussen als drinnen.
Als ich schon eine Weile in die Schule ging, bekam ich mit 11 Jahren noch eine kleine Schwester, Silvia.
1942 war die Schweiz noch im Kriegsmodus, der HandarbeitsUnterricht meiner Mutter fand in der Wohnstube, damals noch nicht Homeoffice genannt, statt. Ich war zu Hause das Kindermädchen, wickelte und fütterte die kleine Schwester liebevoll, damit die Mutter ungestört unterrichten konnte.
In der Oberstufe hatte ich zwei Lehrer, die mich prägten. Der eine (Paul Huber) im positiven Sinn, weil er ein Freisinniger und sehr motivierender Lehrer war, der andere im Sinne von: Wenn mal Lehrer, dann sicher nicht so! Pingelig und kleingeistig. Mein erster Berufstraum des Arztes scheiterte im anschliessenden Gymnasium, als ich den rechten Arm brach. Damals hiess das, drei Monate Gips und mit Links schreiben lernen. Das war eine Überforderung. Bald war mir klar: Wer so vielseitig begabt ist, sollte Lehrer werden. So trat ich ins Lehrerseminar Unterstrass ein und wurde Primarlehrer. Anschliessend kam der Dienst am Vaterland: RS, Unteroffiziersschule, Leutnant, Oberleutnant.
Am Offiziersball hatte ich keine Begleitung in Aussicht und fragte meinen Dienstkameraden Rene um Rat. Der meinte, seine grosse Liebe Heidi hätte noch eine kleine Schwester. Er frage sie mal an, ob sie komme. So lernte ich Lotti in festlichem Rahmen kennen und tanzte mit ihr ins Glück.
Meine Arbeitsstelle und Lebensmittelpunkt waren in Affoltern, Lotti lebte in Obermeilen. 1956 «mussten» wir heiraten, weil wir zusammen eine Wohnung beziehen wollten. Das ging damals nicht ohne Trauschein.
In der Schule gehörte ich zu den sehr berufsinteressierten Lehrkräften und beteiligte mich an der Weiterentwicklung der Oberstufe. Ich arbeitete an einer sogenannten Versuchsklasse, aus welcher sich später die Real- und Oberschule entwickelte (heute Sek B und Sek C). In einer berufsbegleitenden Ausbildung erwarb ich das Reallehrer-Patent. Es scheint, als wollte ich stets der Zeit einen Schritt voraus sein und die Zukunft selber mitgestalten. Ich unterrichtete mein ganzes Berufsleben lang mit Freude und Engagement.
1959 kam Barbara zur Welt und veränderte unseren Alltag. Im Jahr 1961 baute ich mit Lotti ein Haus im Wilgibel mit einem renommierten Architekten aus Bern, den ich vom Militärdienst her kannte (Peter Probst). Auch dieses Haus war seiner Zeit etwas voraus und sehr modern. 1962 zog die damals mit der Geburt von Regula gerade vierköpfig gewordene Familie ein. Kaum wohnten wir dort, machte ich mich daran, den Dachstock auszubauen, damit genug Zimmer vorhanden waren. 1965 folgte nach den zwei Mädchen Felix. Ich versuchte stets, Beruf und Familie konsequent zu trennen. Wenn ich daheim war, war ich Vater. Ich nahm mir Zeit für unsere Kinder, spielte, erzählte Geschichten, schreinerte Möbel fürs Puppenhaus ...
Wenn man mich anfragte, ein Amt zu übernehmen, sagte ich kaum je nein. So hatte ich im Laufe der Jahre verschiedene Präsidien inne: ¡n der ersten Oberstufenkonferenz des Bezirks, in den 70er-Jahren beim Zürcher kantonalen Lehrerverein (ZKLV), bei den Feldschützen oder der Ortsgruppe der FDP.
In den Sommerferien verbrachten wir als Familie viele Jahre traumhafte Inselcamping-Ferien auf der Petersinsel. Dieses Leben im Zeit, das Kochen auf dem Feuer und der ewige Kampf gegen die Schnaken bleiben uns allen in bester Erinnerung. Ich fuhr meist mitten in den Ferien einmal heim, um im Garten frisches Gemüse zu holen und um zum Rechten zu sehen. Die Skiferien waren für uns nie Familienferien, sondern Skilager. Die Kinder genossen es, lernten schnell gut Skifahren und die Oberstufenschüler haben sie stets gemocht. Die erste Auslandreise mit den Kindern führte uns nach einem langen, strengen Winter nach Spanien in eine Ferienwohnung, an die Wärme und zum ersten Mal ans Meer. Was für ein Abenteuer! Als sie in der Oberstufe waren, führten unsere Sommerreisen mit dem Zeit dann mehrmals in verschiedene Regionen von Frankreich. Einkaufen zu gehen, um das Französisch aufzubessern, war für die Kinder Pflicht, nicht Kür!
Unsere Kinder haben stets eigene Wege verfolgt und den Bemf ihrer Wahl lernen können, das war uns sehr wichtig! Barbara wurde Kindergärtnerin, Regula Primarlehrerin und Felix Konstruktionsschlosser. Die Zeit verging wie im Flug und schon bald wurde das Haus leerer.
Enkelkinder kamen dazu und die versorgten Spielsachen konnten wieder hervorgekramt werden. Zuerst bei Barbaras und Thomas mit Martina und Daniela, dann bei Regula und Christian mit Kathrin und Mirjam. Nach meiner frühzeitigen Pensionierung 1993 hatte auch ich mehr Zeit dafür. Jahre später dann, pünktlich auf meinen 70sten Geburtstag, erfreuten uns Felix und Sibylle noch mit Lena! Diese Enkelkinder waren uns stets grosse Freude und Bereicherung unseres Alltags!
Nun machten Lotti und ich auch grössere Reisen. Einmal nach Idar-Oberstein, um den Steinschleifern bei der Arbeit zuzusehen, damit ich später einen Steinschleif-Kurs für Frauen anbieten konnte, dann auch nach Sulawesi, auf die Malediven, nach tndonesien ... Unsere Skiferien waren dann im Südtirol oder in Zermatt anstatt im Skilager. Zermatt sollte in meinem späteren Leben nochmals eine wichtige Rolle spielen.
Im Frühling 2004 gab es einen grossen Bruch in meinem Leben. Nach einem Besuch von Felix und Sibylle mit Lena kehrten wir vom Abschiedswinken zum Haus zurück. Lotti bekam rasende Kopfschmerzen, brach zusammen und musste mit einer schweren Hirnblutung ins Unispital. Die aussichtslose Lage auf Besserung forderten mir den schwierigsten Entscheid meines Lebens ab. Ich musste veranlassen, dass alle Geräte ausgeschaltet wurden, und Lotti gehen lassen.
Etwas später in diesem Jahr lernte ich Hería kennen. Das war ein grosses Glück! Nicht vielen ist es vergönnt im Alter eine zweite, grosse Liebe zu finden. Zu meiner grossen Freude liebte auch sie das Skifahren. Sie hatte ebenfalls viele Male Skiferien in Zermatt verbracht und so hatten wir beide einen Ort mit einer persönlichen Vergangenheit, die uns verband.
Wir unternahmen einige Flussreisen, wanderten in verschiedenen Gruppen und gemeinsam. Fast 20 Jahre teilten wir nun Freud und Leid miteinander, unterstützten uns gegenseitig, wo immer es nötig und möglich war. Besonders freute mich, dass auch Herta gern in die Oper ging oder an Konzerte mitkam. Wir wohnten nie zusammen. Das war uns wichtig, damit wir unsere eigenen Bekanntschaften pflegen und im gewohnten Umfeld leben konnten. Die Wochenenden im Wilgibel waren dann die kostbaren, gemeinsamen Tage.
Das Leben wurde mit der Zeit für uns beide beschwerlicher, der Radius unserer Unternehmungen kleiner. Lichtblicke waren immer .wieder die Familienfeiern. So konnte ich Weihnachten im Familienkreis immer geniessen, Ostern wurde stets im Wilgibel zum Familientreffen. Ein Höhepunkt im letzten Sommer war die tolle Hochzeit von Enkelin Kathrin mit Fabian.
So geht nun dieser Tage mein reich beschenktes und volles Leben dem Ende entgegen. Ich bin dankbar für alles das Schöne, das ich erleben durfte.
Am 3. April 2022 in der Nacht schlief Gottfried in aller Ruhe ein. So wie er sich das immer gewünscht hatte. Dafür sind auch wir sehr dankbar.