Hero JB 2021 2022 Cover
Hero JB 2021 22 7
Hero JB 2021 22 2
Hero JB 2021 22 16
Hero JB 2021 22 14
Hero JB 2021 22 12
Hero JB 2021 22 11
Hero JB 2021 22 10
Hero JB 2021 22 18
Hero JB 2021 22 13
Hero JB 2021 22 9
Hero JB 2021 22 8
Hero JB 2021 22 5
Hero JB 2021 22 6
Hero JB 2021 22 4
Hero JB 2021 22 3
Hero JB 2021 22 19

Jahresbericht 2021/22

Hier finden Sie unser Jahresbericht der unterstrass.edu

unterstrass.edu

Gerechtigkeit – ein grosses Wort!

Liebe Lesende
In «Zeiten wie diesen» ist es nicht harmlos, sich in schriftlicher Form zum Thema Gerechtigkeit zu äussern. Allzu leicht könnte einer wie ich da nämlich in die Felder von nationaler und internationaler Politik hineingeraten, oder auch in jene von Wirtschaft und Gesellschaft, und ich könnte mich dort in den Widersprüchlichkeiten und Ambivalenzen aktueller Diskussionen verheddern. Womöglich würde ich dann ja auch noch pointiert Stellung beziehen wollen, nur um kurz darauf zu realisieren, dass ich einen Teil der Fakten ganz bewusst ausgeblendet und einen weiteren Teil mangels Kenntnissen übersehen habe und darum der Sachlage selbst in keiner Weise gerecht geworden bin.

Dem grossen Thema Gerechtigkeit auch nur einigermassen gerecht zu werden, ist also eine nicht geringe Herausforderung. Ich werde mich ihr zunächst auf dem Feld der Religion stellen, denn schliesslich sind wir nach wie vor und weiterhin eine evangelische Bildungsinstitution! Wobei ich mit dem Adjektiv «evangelisch» nicht in erster Linie die konfessionelle Gebundenheit Gerechtigkeit – ein grosses Wort! hervorheben möchte, sondern erstens den Aspekt der zugemuteten freiheitlichen Lebensführung in Verantwortung gegenüber den Mitmenschen und gegenüber der schöpferischen Macht des Lebens selbst und zweitens den Aspekt der Ermutigung und Ermächtigung zum selbstständigen Denken, Urteilen und Handeln. Das heisst, mein Bezugspunkt im Nachdenken über Gerechtigkeit ist das Evangelium selbst, also die befreiende und ermutigende Botschaft, dass ich in meinem Leben – und auch noch im Sterben und über den Tod hinaus – getragen bin von einer unverbrüchlichen und zugleich auch unverfügbaren Liebe und dass ich im Vertrauen auf diese Liebe für mich selbst Gerechtigkeit vor Gott erlangen kann. Wenn ich dieses «Credo» des Apostels Paulus nachbuchstabiere, bin ich immer wieder fasziniert von der kreativen Verknüpfung von Gerechtigkeit, Vertrauen und Liebe. Hand aufs Herz, liebe Lesende: Wer von Ihnen wäre beim Lesen der Überschrift sogleich auf diese Verknüpfung gekommen?

Aber vielleicht ist diese Frage an Sie auch eine unfaire Frage, denn ich gehe davon aus, dass sich die meisten von Ihnen nicht regelmässig mit der Fragestellung beschäftigen, wie Sie es hinkriegen könnten, vor Gott in gutem Licht dazustehen und also als «gerechtfertigt» zu erscheinen. Diese Fragestellung hat die Menschen in der Antike und zur Zeit Jesu – und bis in die Reformationszeit hinein – bestimmt mehr umgetrieben als uns Menschen des 21. Jahrhunderts. Und doch scheint mir die spirituelle Antwort des Evangeliums 2 auch heute noch bemerkenswert: Das Vertrauen in die grosse göttliche Liebe, die allen Wesen und der ganzen Schöpfung gilt, führt zu einem Leben und Handeln, das sich mehr und mehr von dieser Liebe leiten und sich letztendlich vor Gott und den Menschen verantworten und rechtfertigen lässt. Die grosse Herausforderung besteht wohl immer wieder darin, sich in diese Haltung des Vertrauens einzuüben, weil diese Haltung ja mit dem Eingeständnis verbunden ist, dass wir nicht alles selbst in der Hand haben und steuern können. Dass wir uns im Unterstrass wo immer möglich von dieser Liebe leiten lassen und versuchen, ihr gerecht zu werden, das zeigen und veranschaulichen die folgenden Berichte auf vielfältige und nachhaltige Weise.

Viel Vergnügen beim Lesen!
Jürg Baumgartner

Bildungsgerechtigkeit am Unterstrass

Auf den ersten Blick ist es leicht: Gerechtigkeit und speziell Bildungsgerechtigkeit gehören zu den Werten, die am Unterstrass Schule machen – nicht zuletzt das Adjektiv «evangelisch» in unserem Leitbild fordert uns dazu auf. Wir wollen allen jungen Menschen Zugang zu der Bildung ermöglichen, die ihren Kompetenzen und ihrem Wunsch nach Entfaltung ihrer Möglichkeiten entspricht. Auf den zweiten Blick wird es kompliziert: Das Gymnasium Unterstrass ist ein privates Gymnasium, der Zugang ist an sich auf diejenigen Jugendlichen beschränkt, welche die Aufnahmeprüfung bestehen und deren Eltern das Schulgeld aufbringen. Das Institut Unterstrass ist Teil der Pädagogischen Hochschule Zürich und die Studierenden müssen an sich die Aufnahmebedingungen (Matur, Fachmaturität Pädagogik oder Aufnahmeprüfung) erfüllen. Schon bei der Aufnahme zeigt sich also eine andere Forderung unseres Leitbildes, das Adjektiv «leistungsorientiert».

Die Umsetzung des «an sich» und das bewusste Nutzen des Zusammenspiels von «evangelisch» und «leistungsorientiert» gehören zu den Markenzeichen von unterstrass.edu: Schon lange verfügen wir über ein bewährtes Instrumentarium, um Bildungseinschränkungen, die in den finanziellen Verhältnissen der Studierenden und der Familien unserer Schüler/innen begründet liegen, abzufedern. Der Stipendienfonds, der von Spenden, Stiftungen,Eltern und Ehemaligen gefüllt wird, erlaubt es uns, Jugendliche aus verschiedensten sozio-ökonomischen Verhältnissen nach erfolgreicher Aufnahmeprüfung als Schüler/innen aufzunehmen. Geraten Studierende während ihres Studiums unvorhergesehen in finanzielle Not, können wir mit einem Darlehen aus Spenden Ehemaliger helfen, diesen Engpass zu meistern, und einen Abbruch des Studiums verhindern. Wohl selten war eine solche Unterstützung so gefragt wie im Berichtsjahr, in dem die Auswirkungen der Corona-Pandemie die Verdienstmöglichkeiten massiv einschränkten und die Bearbeitungszeit<der Anträge auf ein kantonales Stipendium nahezu ein Jahr betrug.

Ist nicht nur finanzielle Unterstützung nötig, sondern zudem der Migrationshintergrund der Familie ein Hinderungsgrund, den an sich möglichen Bildungserfolg zu erreichen, finden bereits seit 15 Jahren Jugendliche auf dem Weg in eine Mittelschule Unterstützung in unserem Programm ChagALL («Chancengerechtigkeit durch Arbeit an der Lernlaufbahn»). Einige der erfolgreichen Absolvent/innen besuchen das Gymnasium Unterstrass, auch ihnen ermöglicht dies der Stipendienfonds.

Auch an Gymnasien und Hochschulen haben Schüler/innen und Studierende mit Teilleistungsstörungen das Recht auf ...

Eva Ebel, Prof. Dr. theol., Direktorin
Auszug aus dem Jahresbericht «Unterstrass»

Chancengleichheit im Fokus.

Ursachen und innovative Strategien der Reduktion von Bildungsbenachteiligungen

Seit mehreren Jahrzehnten ist klar: Nicht alle Kinder haben in der Schweiz die gleichen Chancen, jene Bildungswege zu gehen, die ihren Fähigkeiten und Wünschen entsprechen. Ebenfalls zeigen umfangreiche Studien: Es sind besonders Kinder aus Familien mit einem geringeren Bildungsgrad, Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder, die zu Hause eine andere Sprache sprechen als in der Schule, die auf ihrem Bildungsweg immer wieder vor geschlossenen Türen stehen, die für andere Kinder offen sind. So werden sie bei gleichen Leistungen durch die Schulen häufiger unterschätzt, die Leistungserwartungen der Lehrpersonen sind geringer, sie werden weniger gefördert und ihnen werden mehr Steine in den Weg gelegt als ihren Mitschüler/innen ohne diese Merkmale. Im Bildungssystem werden sie somit systematisch benachteiligt.

Welches sind die Gründe? Die Befundlage ist offensichtlich: Bildungsbenachteiligungen entstehen auf verschiedenen Ebenen. In einem Gutachten der Allianz Chance+ (Kamm, Maag Merki, Suter & Schoch, 2022) haben wir Folgendes herausgearbeitet:

Bildungsbenachteiligung entsteht

  • auf Systemebene, beispielsweise aufgrund des hoch selektiven Bildungssystems auf der Sekundarstufe I;
  • auf regionaler Ebene, beispielsweise aufgrund unterschiedlicher Angebote wie das Vorhandensein von Gymnasien oder der sozialen Zusammensetzung in der Nachbarschaft von Schulen;
  • auf schulischer Ebene, beispielsweise indem nicht alle Kinder gleichermassen gefördert werden und ihnen Bildungserfolg unterschiedlich stark zugetraut wird;
  • auf individueller Ebene, beispielsweise weil Familien das duale Bildungssystem zu wenig kennen, die Kosten für längere Ausbildungen scheuen oder in Familien Bildung einen geringeren Stellenwert hat.
  • Was kann getan werden? Grundsätzlich gilt: Bildungssysteme wurden von Menschen gebaut – Bildungssysteme können somit auch durch Menschen verändert werden.

In den Blick genommen werden muss dringend das hoch selektive Bildungssystem in der Schweiz. Eine Verschiebung der Selektion auf das Ende der Volksschule hat grosses Potenzial, die Bildungsbenachteiligungen zu reduzieren. Ebenso gilt es, das zwar auf dem Papier sehr überzeugende Modell der Durchlässigkeit im Bildungssystem kritisch zu hinterfragen: Was müsste geändert werden, dass genau jene jungen Menschen mit Migrationshintergrund oder mit geringeren sozio-ökonomischen Ressourcen, die eigentlich im Fokus stehen müssten, die theoretisch durchlässigen Wege besser nutzen können? Damit zusammenhängend wäre ein gezielter Blick auf das Stipendienwesen notwendig. Warum werden Stipendien primär für den ersten Bildungsweg vergeben, wenn doch genau der zweite Bildungsweg so zentral wäre, verpasste Bildungsabschlüsse aufgrund mangelnder Ressourcen in der Familie oder Unterstützung in der Schule nachzuholen? Und ein weiterer wichtiger Punkt: In jenen Regionen, die ein grosses Angebot haben an Gymnasien, anspruchsvollen Berufsausbildungen oder Fachhochschulen, sind die Bildungswege weniger eng verknüpft mit dem familiären Bildungshintergrund. Der Ausbau von Ausbildungsplätzen, in Gymnasien und in der Berufsbildung ist besonders in strukturschwachen Regionen somit von zentraler Bedeutung.

Aber nicht nur Strukturen müssen verändert werden, sondern auch die Förderpraxis der Schulen. Hier setzt Unterstrass an, beispielsweise mit ChagALL¹, einem Projekt, das rundum überzeugend ist und jenen Kindern hilft, Bildungslaufbahnen in einem hoch selektiven Bildungssystem zu realisieren, die sonst aufgrund ihres familiären Hintergrundes kaum möglich wären.

Leistungserwartungen von Lehrpersonen gegenüber den Kindern sind besonders ...

Katharina Maag Merki,Prof. Dr., Universität Zürich «Unterstrass»

Gymnasium

Das Gymnasium Unterstrass im Schuljahr 2021/22

«Zurück zur Normalität» kann als Schlagzeile vielleicht das letzte Schuljahr beschreiben. Wir konnten unsere Schulgemeinschaft im Frühlingssemester wieder umfassender pflegen, die gesamtschulischen Anlässe durchführen und uns in die ganzen Gesichter blicken.

Deutlichster Ausdruck davon waren wohl die Chorkonzerte, die dank einer Verschiebung vom Januar in den Mai in diesem Schuljahr stattfinden konnten.

Aber es ging langsam: Im letzten Herbstsemester beschäftigte uns Corona noch stark, es mussten wiederum etliche Massnahmen ergriffen und Anlässe abgesagt werden – insbesondere die Auslandsstudienwochen und unsere Schneesportlager. Immerhin: Die Theateraufführungen im November fanden statt.

Das Gute daran: Allen im Haus wurde der Wert des direkten Austauschs und der direkten zwischenmenschlichen Kontakte und des Zusammenkommens in der ganzen Schulgemeinschaft bewusst.

August 2021: Start ins neue Schuljahr
Das Schuljahr startete traditionell – zumindest fast: Die Eröffnungsfeier am Freitag der ersten Schulwoche zur Begrüssung der neuen Promotion 153 führten wir in zwei Etappen, damit die Gästeanzahl ...

Lukas Strub, Leiter Gymnasium
Auszug aus dem Jahresbericht «Gymnasium»

Bildungsgerechtigkeit am Gymnasium Unterstrass

«Bildungsgerechtigkeit» – was für ein Begriff! Doppelt abstrakt und kaum zu definieren. Dennoch gehört das Erreichen von Bildungsgerechtigkeit zu einem der Werte, für die wir uns am Gymnasium Unterstrass einsetzen. Bildung ist ein Ideal, auf das zu erreichen sich unsere Gesellschaft geeinigt hat. Jedem und jeder soll diese Bildung gleichermassen zugänglich sein. Das Hauptproblem liegt darin, dass wir alle gleich behandeln wollen, weil uns das gerecht erscheint. Und genau dort beginnt die Ungerechtigkeit. Wir können nicht alle gleich behandeln, weil nicht alle die gleichen Voraussetzungen mitbringen. Dort also gilt es zu handeln und dort können wir ansetzen. Gerechtigkeit durch begründete Ungleichbehandlung. Das tun wir am Gymnasium Unterstrass in verschiedenen Bereichen.

Nachteilsausgleichsmassnahmen
Einer davon betrifft ca. 30 unserer Schüler/innen mit Nachteilsausgleichsmassnahmen (kurz: NAM). AD(H)S, Dislexie, Diskalkulie, Autismus-Spektrum-Störung sind die häufigsten Nachteile, die durch unterschiedliche Massnahmen, wie mehr Zeit, eine ruhigere Lernumgebung oder eine angepasste Bewertung der Rechtschreibung, ausgeglichen werden können.

Jugendliche Migrant/innen
Für einige Jugendliche mit Migrationshintergrund gibt es Unterstützungen wie unser Programm ChagALL, daneben gibt es aber andere Jugendliche, die durch alle Maschen des Systems fallen. So haben wir vor einem Jahr einen 19-jährigen Flüchtling aus Eritrea aufgenommen, der zu alt war für den Zugang an ein öffentliches Gymnasium, aber zu jung und ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung, um an die Erwachsenenmaturitätsschule gehen zu dürfen. Im April kam dann ein Flüchtling aus der Ukraine dazu, der ab dem kommenden Schuljahr fest in eine unserer ersten Klassen eintreten wird. Beide hätten es ohne den Zusatzeinsatz engagierter Lehrer/innen, die ihnen Einzelunterricht gegeben haben, deutlich schwerer gehabt. Ungleich? Ja! Aber gerecht(fertigt).

Schüler/innenstudium
Wir haben an unserer Schule auch Schüler/innen, die ganz besonders schnell im Denken und in der Auffassungsgabe sind. Wie werden wir ihnen gerecht? Neu werden ab Beginn des Herbstsemesters drei unserer Schüler/innen die Schüler/innen-Universität in Zürich besuchen. Sie haben sich für verschiedene Seminare und Vorlesungen eingeschrieben und können auch an den Abschlussprüfungen teilnehmen, um bereits während der Schulzeit Credits zu sammeln, die auf ein späteres Studium angerechnet werden. Wir sind sehr gespannt auf die Erfahrungen, die mit diesem Projekt gesammelt werden.

The future is now
Und schliesslich sollte der Blick noch über die Schweizer Grenze hinaus geschärft ...

Imke Weber, Bereichsleiterin Gymnasium, und Lukas Strub, Leiter Gymnasium
Auszug aus dem Jahresbericht «Gymnasium»

ChagALL – ein wichtiger Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit mit unsicherer Finanzierung

Seit 15 Jahren leistet unserer Programm ChagALL («Chancengerechtigkeit durch Arbeit an der Lernlaufbahn») einen gewichtigen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit im Kanton: Jahr für Jahr erhalten Jugendliche mit Migrationshintergrund aus Familien mit niedrigem sozio-ökonomischen Status die Gelegenheit, sich durch zusätzliches Training auf die Aufnahmeprüfung an einer Mittelschule vor­zubereiten. Die wissenschaftlichen Evaluationen des Programms durch Prof. Dr. Urs Moser vom Institut für Bildungsevaluation der Universität Zürich haben es immer wieder gezeigt: Der Leistungs­wille und die Erfolgsquote der ChagALList/innen sind beeindruckend.

Ein Projekt ist dadurch gekennzeichnet, dass es einen Anfang und ein Ende hat. Es war kaum die Idee bei der Initiierung von ChagALL, einen «Dauerbrenner» von mehr als 15 Jahren zu schaffen. Zum einen sollte exemplarisch gezeigt werden, wie man eine Ungerechtigkeit im Bildungssystem auflösen kann, und zum anderen stand dahinter die Aufforderung, nicht das Symptom, sondern den grundlegenden Fehler im Bildungssystem zu beheben. Es ist ein Erfolg, dass mittlerweile an verschiedenen Orten dieses Landes von ChagALL inspirierte Programme entstanden sind und so mehr Jugendliche zusätzliche Förderung erhalten und ihre individuelle Chance ergreifen können. Zugleich ist es aber ein Desaster, dass die Ungerechtigkeit zulasten von Jugendlichen mit Migrationshintergrund aus Familien mit niedrigem sozio-ökonomischen Status im Bildungssystem ...

Eva Ebel, Prof. Dr. theol., Direktorin
Auszug aus dem Jahresbericht «Gymnasium»

Institut

Das Institut Unterstrass im Studienjahr 2021/22 Matthias Gubler

Wie schnell verändert sich das Ausserordentliche. So haben wir uns unterdessen schon an die «neue Normalität» rund um die Pandemie gewöhnt und Masken sind zurzeit selten geworden. Dafür sind neue Schrecken und Unsicherheiten am Horizont aufgetaucht und schütteln europäische Selbst­gewissheiten durcheinander.

Im Berichtsjahr 2021/22 war Corona vor allem zu Beginn noch ein sehr konkreter Begleiter. Wir mussten erneut auch nach dem Pandemiejahr 2020 bangen, ob wir live ins Studienjahr starten können. Es blieb uns aber ein weiteres virtuelles Studienjahr erspart.

Trotzdem: Erneut erlebte der Abschlussjahrgang der Bachelorstudierenden unter dem Strich nur insgesamt drei von sechs Semestern in direktem Kontakt im Institutsgebäude auf dem Campus Unterstrass. Die 52 Studierenden, die bei uns im Sommer 2022 ihre Ausbildung abgeschlossen haben, haben also die Hälfte ihres Studiums im Fernlernmodus verbracht.

Ebenso wie die 21 Quereinsteigenden, die nach ihrer zweijährigen Ausbildung im Sommer ihr definitives Lehrdiplom erhielten. Diese Studiengruppe mussten wir fast im gesamten ersten Jahr im Distanzmodus darauf vorbereiten, wie sie in der berufsintegrierten Phase eine Klasse führen und didaktisch anspruchsvollen Unterricht erteilen können. Trotzdem können wir davon ausgehen, dass auch dieser Jahrgang umfassend und gut auf das Berufsleben vorbereitet wurde.

Für die 50 Studierenden, die am 15. September 2021 ins Basisstudium der beiden Studiengänge Richtung Primarstufe und Kindergarten/Unterstufe starteten, bleiben wir zuversichtlich, dass wir für sie digitale Methoden gezielt und ergänzend einsetzen und die für uns so wichtige direkte Beziehung für ihr Lernen wieder uneingeschränkt nutzen können. Ebenso für die 24 neu gestarteten Quereinsteigenden und die 12 neuen Studierenden der Stufenerweiterung Kindergarten.

Lassen Sie mich zur Stufenerweiterung Kindergarten diesmal etwas ausholen. Seit nunmehr sieben Jahren bietet das Institut Unterstrass in Absprache mit der PH Zürich diesen einjährigen Studiengang an. Wir begleiten dabei motivierte, gestandene Primarlehrpersonen bei der Erweiterung ihrer didaktischen und methodischen Kompetenzen. So können sie auch junge Kinder von vier bis sechs Jahren optimal im Lernen fördern.

Aktuell unterrichtet bis zu einem Drittel der Lehrpersonen in der Schweiz sogenannt stufenfremd oder in einem Fach, für das sie nicht qualifiziert sind. Die Tagesschau des Schweizer Fernsehens berichtete darüber (Hauptausgabe vom 15. August 2022). Keine gute Zahl. Denn erst eine an die Altersstufe angepasste und entsprechend professionelle Didaktik kann Mikroprozesse des Lernens und Verstehens wirksam gestalten. Gerade die jungen Kinder sind auf hochwertige und differenzierte Anleitung und Begleitung im Lernen angewiesen. Entgegen dem sich hartnäckig haltenden Vorurteil, dass bei kleinen Kindern eine liebevolle Betreuung ausreicht, um sich Weltwissen und Kompetenzen anzueignen. Deshalb sind wir stolz auf unsere Studierenden der Stufenerweiterung, die sich diese professionelle Sichtweise zu eigen machen und den Aufwand auf sich nehmen, ihr Wissen und Können so zu erweitern.

Die neuen Schrecken und Unsicherheiten kamen am 24. Februar 2022 in Form eines brutalen Angriffskrieges von Russland gegen die Ukraine. Schon bald kamen die ersten geflüchteten Kinder in den Schulen im Kanton Zürich an. Studierende des Instituts Unterstrass boten ihre Unterstützung an und unter der Federführung unserer Deutschdozentin Claudia Roth macht unterstrass.edu gemeinsam mit anderen Pädagogischen Hochschulen bei der Sprachplattform lolingu (lolingu.com) mit. Die Initiative bringt Freiwillige und Geflüchtete zum Sprachunterricht zusammen. Unterstrass konnte im Nu diverse Beratungs- und Unterstützungsangebote für betroffene Lehrpersonen bereitstellen. Damit versuchten wir, einen aktiven Beitrag zu leisten und das lähmende Gefühl
der Hilflosigkeit zu bekämpfen. Ich bleibe zuversichtlich, dass wir den nicht enden wollenden Krisen mithilfe unserer postulierten Werte etwas entgegensetzen
können: Solidarität, Demokratie, Respekt gegenüber der Schöpfung.

Matthias Gubler, MSc UZH, Leiter Institut
Auszug aus dem Jahresbericht «Institut»

Weiterbildung und Dienstleistungen im Überblick

Lehrgänge
MAS Inklusive Pädagogik und Kommunikation
berechtigt als konsekutiver MA in Kooperation mit der Universität Hildesheim zur Promotion.
Der MAS besteht aus den folgenden CAS:
CAS Inklusive Pädagogik und Didaktik (Oktober 2021–Mai 2022, 16 Teilnehmende)
CAS Kommunikation und Coaching in der inklusiven Schule (Juni 2022–Januar 2023, 10 Teilnehmende)
CAS Wandel zur inklusiven Schule (Februar 2023–Juli 2023, Anzahl Teilnehmende noch offen)
Den Abschluss bildet das Masterseminar (Ende November 2023, Anzahl Teilnehmende noch offen)
CAS DaZ – Deutsch als Zweitsprache
(10 ECTS) mit einem Fokus auf den Zyklus 1 (September 2021–Juni 2023, 28 Teilnehmende)
CAS DaZ – Deutsch als Zweitsprache
(10 ECTS) mit einem Fokus auf die Primar- und Sekundarstufe (2.-9. Klasse) (Juli 2022–Juni 2024, 27 Teilnehmende)
Beide CAS führen zu einem vom Kanton anerkannten Zertifikat zur Erteilung des DaZ-Unterrichts in der Volksschule.

Inge Rychener, Dr., Leiterin Weiterbildung und Dienstleistung
Auszug aus dem Jahresbericht «Institut»

Sprachförderung als Schlüssel zu mehr Bildungsgerechtigkeit Inge Rychener

Schulleistungsstudien (wie PISA, IGLU usw.) belegen regelmässig den Zusammenhang zwischen guten Sprachkompetenzen und schulischem und damit auch späterem beruflichem Erfolg. Sprachliche Bildung trägt sowohl zur Identitätsentwicklung wie auch zu einer reflektierten Werte- und Gesellschaftsorientierung und damit zur Teilhabe an der Gesellschaft bei.

Insbesondere das Beherrschen der Bildungssprache gilt als Voraussetzung sowohl für die Teilhabe an Bildungsprozessen wie auch am kulturellen und demokratischen Leben. Letztlich ist die Beherrschung der Bildungssprache also einer der Pfeiler der Bildungsgerechtigkeit. Die Bildungssprache umfasst Kompetenzen im Sprechen, Zuhören, Lesen und Schreiben. Sprache soll in allen genannten Sprachbereichen fachlich korrekt, angemessen und sinnvoll angewendet werden können. Dazu gehört die situativ korrekte Beherrschung unterschiedlicher Sprachhandlungen wie beispielsweise beschreiben, erklären, zusammenfassen, berichten, analysieren usw., aber auch die reflektierte Anwendung von Fachsprache und die Kompetenz, sich auf einem elaborierten Niveau mündlich wie schriftlich ausdrücken zu können.

Fehlende bildungssprachliche Kompetenzen haben zur Folge, dass die Schüler/innen dem Unterricht sprachlich nicht folgen können. Es liegt also nicht daran, dass sie den Inhalten nicht folgen könnten, sondern dass ihnen die Sprache fehlt; sie können weder mündlich noch schriftlich teilnehmen. Die Gefahr, deshalb die Unterrichtsziele nicht zu erreichen, ist gross. Was diese Kinder brauchen, ist nun kein isolierter Grammatik- oder Wortschatzaufbau – längst ist erwiesen, dass diese Kompetenzen nur funktional, das heisst in der Anwendung gelernt und verstanden werden können –, sondern eine unterrichtsintegrierte Sprachförderung, die die aktive Teilhabe am Unterricht zum Ziel hat.

Die unterrichtsintegrierte Förderung der Bildungssprache setzt (spätestens) ...

Inge Rychener, Dr., Leiterin Weiterbildung und Dienstleistung
Auszug aus dem Jahresbericht «Institut»

Finanzen

Rechnungsjahr 2021/22

Ausgeglichene Rechnung
Im Berichtsjahr 2021/2022 weisen wir erfreulicherweise mit einem kleinen Jahresgewinn von CHF 4’737 eine ausgeglichene Rechnung aus. Dies ist in der aktuellen Zeit keine Selbstverständlichkeit und konnte nur mit den zahlreichen und grosszügigen Spenden erreicht werden, für die ich mich im Namen des Trägervereins bei allen ganz herzlich bedanken möchte.

Trotz der positiven Gesamtsituation müssen wir aber auch die negative finanzielle Entwicklung, die sich im Betriebsergebnis zeigt, beachten.

Negatives Betriebsergebnis
Bei der Betrachtung des eigentlichen Betriebes, also ohne Liegenschaften und Finanzergebnis, steht dem betrieblichen Aufwand von CHF 10’352’838 ein betrieblicher Ertrag von CHF 10’173’046 gegenüber. Dies führt zu einem negativen Betriebsergebnis von CHF -179’792.

Dies ist eine neue und ungewohnte Situation: Erstmals seit vielen Jahren ist ein negatives Betriebsergebnis entstanden. Der Aufwand ist in den letzten Jahren stets Rechnungsjahr

2021/22 gestiegen, aber die Einnahmen konnten nicht im gleichen Masse mithalten. Während das Institut in Bezug auf die Studierendenzahlen und das Personal ziemlich stabil ist, gab es im Gymnasium mit der Einführung des Profils Magna und dem damit verbundenen Ausbau auf zwölf Klassen eine grosse Entwicklung, die auch finanzielle Auswirkungen hat. Im laufenden Jahr müssen wir die aktuelle Situation genau analysieren, die finanziellen Entwicklungen beobachten und allfällige Massnahmen sorgfältig prüfen.

In der Erfolgsrechnung werden neben dem Betriebsergebnis das Finanzergebnis und das Liegenschaftenergebnis aufgeführt. Es erstaunt nicht, dass in der aktuellen wirtschaftlichen Lage das Finanzergebnis mit CHF -427’617 negativ ausfällt. Ein grosser Teil des Finanzvermögens wird durch eine professionelle Vermögensverwaltung sorgfältig und nachhaltig bewirtschaftet.

Trotzdem: sehr gute finanzielle Basis
Trotz des negativen Betriebsergebnisses ist die finanzielle Situation des Trägervereins nach wie vor ...

Andrea Widmer Graf, Prof., Quästorin des Trägervereins
Auszug aus dem Jahresbericht «Finanzen»

Menschen

Personelles

Gymnasium Unterstrass
Nach acht Jahren als Lehrer für die Fächer Bewegung und Sport sowie Wirtschaft und Recht am Gymnasium Unterstrass haben wir Matthias Galley verabschiedet. Neben dem regulären Unterricht hat er akribisch die Sporttage und Schneesportlager vorbereitet und begleitet. Wir danken ihm herzlich für sein grosses Engagement für seine Fächer, die Schülerinnen und Schüler und unser Schulleben. Die Fachschaft Bewegung und Sport wird seit dem Schuljahr 2022/23 durch Alessandro Gallo verstärkt, das Fach Wirtschaft und Recht wird von Christoph Weber unterrichtet.

Stefan Marcec hat nach 17 Jahren als Lehrer für Deutsch und Philosophie unsere Schule verlassen. Wir danken ihm insbesondere für die Einführung und die Etablierung des Profils Philosophie/Pädagogik/Philosophie und für den Aufbau und die beständige Weiterentwicklung unseres Förderprogramms ChagALL. In der Fachschaft Deutsch ist neu Fabrice Crelier tätig, den Bereich Philosophie hat unsere langjährige Deutschlehrerin Barbara Jehle übernommen. Auch im Bereich Pädagogik/Philosophie gab es einen Wechsel: Sarah Untersander hat uns nach vier Jahren verlassen, um Personelles ihrer Leidenschaft der Naturpädagogik im Naturpark Ela nachzugehen. Wir danken ihr neben dem fundierten Fachunterricht besonders für ihren Einsatz in der Schülerinnen- und Schülerberatung. Ihre Aufgaben innerhalb des Faches Philosophie/Pädagogik/Philosophie hat Mirta Bösch übernommen. Als Schülerinnen- und Schülerberaterin konnten wir Eveline von Arx gewinnen.

Nach vier Jahren als Geschichtslehrerin hat Gianna Weber das Gymnasium Unterstrass verlassen. Wir danken ihr herzlich für ihren engagierten Unterricht. Die Fachschaft Geschichte wird neu durch Daria Segoloni verstärkt, die zudem auch das Fach Englisch unterrichtet.

Neu wird seit dem Schuljahr 2022/23 am Gymnasium Unterstrass auch Schlagzeug unterrichtet. Als Schlagzeuglehrer ist nun Mario von Holten bei uns. Als Abteilungsassistenz haben uns Kira Forster (Herbstsemester 2021/22) und Julian Jakob (Frühlingsemester 2022) in vielfältiger Weise unterstützt. Wir danken ihnen herzlich für den grossen Einsatz.

Institut Unterstrass
Nach 25 Jahren hat Gabi Graf ihre Tätigkeit als Dozentin für Musikdidaktik an unserem Institut beendet. Wir danken ihr für ihren leidenschaftlichen Einsatz für ihr Fach und ihre Liebe zum Dialog über die Grenzen der Fächer hinweg. Ihr Beitrag zum Austausch innerhalb der Kollegiums wird uns fehlen.

Cornelia Müller Bösch hat als Fachdidaktikerin für Mathematik und vor allem im Aufbau des Programms écolsiv einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung des Instituts und zu mehr Bildungsgerechtigkeit geleistet, wofür wir ganz herzlich danken. Als Professorin für Bildung bei kognitiver Beeinträchtigung an der Hochschule für Heilpädagogik wird sie in diesem Feld weitere Impulse setzen und Kooperationspartnerin für unser Projekt écolsiv sein.

Zentrale Dienste
Nach den Sportferien haben wir mit Amra Emini eine zweite Lernende Kauffrau in unser Team aufgenommen. Nina Derk hat ihre Ausbildungszeit im Sommer 2022 bei uns nach dem dritten Lehrjahr abgeschlossen, als neue Lernende im ersten Jahr ist Sarika Ambi zu uns gestossen. Wir freuen uns auch über diese Gelegenheit, junge Menschen auf ihrem Weg zu begleiten, und danken herzlich für die Unterstützung.

Martina Zollinger ist nach fünf Jahren als Sachbearbeiterin Finanzen Ende April 2022 weitergezogen, wir danken ihr für die akribische Arbeit als Buchhalterin. Ersetzt werden konnte sie durch Michaela Meier. Ebenfalls neu im Team ist Raphael Boll, gemeinsam mit Adelina Bajra hat er die Verantwortung für die Lernenden KV übernommen und ist zur Entlastung der Leitung Zentrale Dienste bei der Kommunikation tätig.

Mit Andreas Conrad (Küchenchef) und Rea Stehli (Köchin) haben wir das Verpflegungsteam wieder bei uns integriert.

Wir freuen uns sehr über die neuen Mitarbeiter/innen.

Die Schulleitung: Eva Ebel, Matthias Gubler, Christa Sieber, Lukas Strub
Auszug aus dem Jahresbericht «Menschen»
zum Archiv

Nichts verpassen

Bleiben Sie informiert und melden Sie sich für unseren Newsletter an.