unterstrass.edu

Zwei akademische Auseinandersetzungen

29. Oktober 2021

Bettina Gross, Didaktikdozentin für das Fach «Natur, Mensch, Gesellschaft», hat kürzlich ihre Dissertation über die Geschichte von unterstrass.edu abgeschlossen. Ihre Arbeit zeigt auf, wie wichtig Allianzen und Netzwerke auch «in den nächsten 150 Jahren» sein werden. Ein Forschungsprojekt der Fachhochschule Nordwestschweiz widmet sich derzeit der Lehrerinnen- und Lehrerbildung am Institut Unterstrass an der PHZH.

Das ehemalige Seminar Unterstrass und heutige Institut Unterstrass an der PHZH ist schweizweit eine der wenigen Institutionen, die seit rund 150 Jahren Lehrpersonen ausbildet. Es konnte alle Änderungen in der Ausbildung zu Volksschullehrpersonen als eine der wenigen privaten und staatlichen Institutionen meistern oder überleben: die längere Ausbildungsdauer, den Akademisierungsprozess oder die Umwandlung auf die Fachhochschulebene. Es gab zu verschiedenen Zeitpunkten politische Bemühungen, das Seminar Unterstrass (und die weiteren Seminarien) zu schliessen. Anhand verschiedener Quellen wie Briefen, Protokollen, Notizen oder Zeitungsartikeln zeigt Bettina Gross in ihrer Dissertation auf, wie bei den bildungspolitischen Behörden des Kantons Zürich auf verschiedene Arten lobbyiert wurde. Es gab eine breite Interessensgruppe, die in Krisenzeiten auf problematische Entwicklungen hinwies und zum Handeln aufforderte. Zum Beispiel in den 1920er und 1930er-Jahren, als der politische Wille vorhanden war, die Lehrerbildung an die Universität Zürich zu verlegen, hätte dies ohne Aufrüttelung dieser Interessensgruppen die Schliessung des Seminars Unterstrass zur Folge gehabt. Auch in den 1990er Jahren wurden persönliche Gespräche geführt und Allianzen gebildet, um die Verlegung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung an die Universität zu verhindern.

Eine private Schule wie das Seminar Unterstrass bewegte sich aber nicht nur im Kontext von staatlichen Vorgaben, sondern auch im gesellschaftlichen Umfeld. Inhaltliche Anpassungen im Schulprofil waren immer wichtig, in den 1930er-Jahren zum Beispiel durch die schon länger geforderte Zulassung von Mädchen am Seminar. Dank geschicktem Lobbying, Anpassungen des Schulprofils und dank innovativen Ideen, die am Ende des 20. Jahrhunderts wichtig wurden, gelang es dem Seminar Unterstrass als Institution der Lehrerinnen- und Lehrerbildung zu bestehen. Es gestaltete und gestaltet die Schullandschaft im Kanton Zürich wesentlich mit.

Bettina Gross hat im Rahmen dieser Arbeit viel noch Unbekanntes im Archiv entdeckt und regelmässig darüber berichtet. Nun hat sie ihre Dissertation erfolgreich verteidigt. Wir gratulieren Bettina Gross ganz herzlich zu ihrem grossen Erfolg und freuen uns über die Aufarbeitung der Geschichte des Seminars bzw. Instituts Unterstrass an der PHZH.

Seit Beginn des Studienjahrs 2020/21 ist am Institut ein «freundlicher Schatten» unterwegs, wie sich Katharina Lüthi selbst bezeichnet. Lüthi ist Feldforscherin für eine Studie zur Frage, was Studierende zu Lehrpersonen macht. Die These der Studie aus der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz ist, dass eine Bildungsinstitution eine wesentliche Rolle beim Lehrperson-Werden spielt. In der Studie geht es besonders darum, allfällige Unterschiede zwischen den Hochschulen zu beschreiben. So kann sich das Institut Unterstrass dank der Feldforscherin mit einem wertvollen Aussenblick betrachten. Eindrücklich und beispielhaft war für Lüthi der allererste Studientag. Alle Studierenden besuchten eine ihnen zugeteilte Kindergarten- oder Schulklasse, um den Kindern in einem Gespräch und damit der künftigen Rolle als Lehrerin und Lehrer auf den Zahn zu fühlen. «Dieser institutionelle Erstkontakt zeichnet sich durch Tat und Dialog aus», erklärt Lüthi. «Ein Modus, dem ich immer wieder begegnet bin, sei es in der Einführungswoche ins Basisstudium, im Orientierungspraktikum selber oder in der Studienwoche zu ethischen und religiösen Grundfragen». Ist das Institut Unterstrass also ganz besonders nahe dran an der Praxis? Die Studie wird diese Frage im Jahr 2024 abschliessend beantworten, über Zwischenresultate werden wir an dieser Stelle wieder berichten.

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