Ein Spielzimmer oder doch ein Klassenzimmer? In Schottland sind die Grenzen fliessend.

Blair Castle ist ein eindrückliches Schloss in Blair Atholl, wo Debora Marchi ihre Assistenzzeit verbracht hat.

Ein Bericht aus dem Assistant Teachership

Zürich, 24.07.2019

Drei Wochen in einem englischsprechenden Land oder der Westschweiz – zahlreiche Eindrücke in einer Schule sammeln – so haben die Primarstudierenden des Instituts (DPS18) den Juni verbracht. Das sogenannte «Assistant Teachership» oder im französischen Fall «Stage Professionnel» ist ein Teil des Moduls «Fremdsprachendidaktik» und ermöglicht den Studierenden einen Einblick in Schulsysteme anderssprachiger Regionen. Debora Marchi war eine dieser Studierenden und hat einiges zu erzählen…

...Bäume, Hügel, Wiesen, ein winziges Dorf, eine Kuhherde, eine Schafsherde, weitere Hügel und noch mehr Bäume. Das war die Landschaft, die ich mit der Nase an der Fensterscheibe gespannt, aber müde beobachten konnte. Nach einem Flug nach Edinburgh war ich mit dem Zug zwei Stunden unterwegs ins Landesinnere. Mein Ziel? Blair Atholl, ein Dorf, welches ungefähr zehn Minuten entfernt von der etwas bekannteren Gemeinde Pitlochry liegt. Da wusste ich noch nicht, dass mein Assistant Teachership so spannend und lehrreich wird.

Klein, aber oho!

Ich hatte meinen Aufenthalt selbst organisiert und mich für die kleine, familiäre Blair Atholl Primary School entschieden. Mit insgesamt 33 Kindern, die entweder in der Unterstufenklasse oder der Mittelstufenklasse unterrichtet werden und einer angeschlossenen «Nursery», welche bei uns dem Kindergarten entspricht, steht die Schule stolz mitten im Dorf. Viele kleine Schulen in umliegenden Gebieten mussten schon aufgrund der geringen Anzahl Kinder geschlossen werden, weshalb die Eltern hier froh sind, ihre Kinder noch im selben Dorf zur Schule schicken zu können. Leider wird der Schule nicht mehr Personal zur Verfügung gestellt, was zur Folge hat, dass weder die Kinder mit besonderen Bedürfnissen noch die restliche Klasse die Betreuung bekommt, welche sie eigentlich verdient hätten. Das ist teilweise sehr schwierig und anstrengend für die zwei Primarlehrpersonen und die Schulleiterin, weshalb ich vor ihnen am Schluss meines Aufenthaltes nur den Hut ziehen konnte.

Von Schulfächern und Legoflugzeugen

Die wöchentlichen Fächer bestanden aus Sprache (Englisch schreiben, lesen, sprechen), Mathematik, Gälisch, Musik, Gestalten, NMG (Natur, Mensch, Gesellschaft) und Sport, wobei dieser nur selten wirklich stattfand, da zwar eine riesige Wiese zum Schulareal gehörte, aber keine Turnhalle vorhanden war. Das machte den Sportunterricht aufgrund des sehr wechselhaften schottischen Wetters teilweise etwas schwierig. In der Schweiz würden wir die beiden Klassen als ADL-(Altersdurchmischtes Lernen)-Klassen bezeichnen, da die Lehrpersonen Schüler/innen aus drei bis vier unterschiedlichen Primarklassen gleichzeitig unterrichten. Die meiste Zeit engagierte ich mich als Assistenz und hüpfte je nach Lektionen zwischen den beiden Klassen hin und her. Ich musste mich zuerst an die Tatsache gewöhnen, dass selbst die Kindergärtner perfekt Englisch sprachen und ich mir trotz meinem CAE etwas verloren vorkam. Das änderte sich aber bald, da die Kinder sehr offen waren und die Abwechslung genossen. Es war spannend zu sehen, dass die Mittelstufe sich nicht gross von meinen Schweizer Schulerfahrungen unterschied, jedoch die Unterstufe einige Dinge anders handhabte. Die Vor- und Nachmittage in der Unterstufe liefen oft so ab, dass ein Teil der Kinder einen Auftrag, zum Beispiel eine Seite im Schreibheft oder eine Rechnungsaufgabe im Gruppen-Matheheft bekam und die anderen durften «choose», was so viel wie spielen hiess. Das Schulzimmer war mit vielen Spielmöglichkeiten von einer Spielküche bis zu einer Lego-Ecke ausgestattet, was einen sanfteren Übergang vom Kindergarten in die Schule ermöglichen sollte. Auch wenn ich spielerisches Lernen vollkommen unterstütze, hatte ich den Eindruck, dass diese Art von Unterricht einer der Hauptgründe war, weshalb die Kinder schlussendlich an einem Tag nur 30 Minuten etwas anderes machten als zu spielen. Es war sehr schwierig, die Kinder von einer interessanten Matheaufgabe zu überzeugen, wenn das Lego-Flugzeug doch noch nicht fertig konstruiert war und die anderen ja auch noch bauen durften. Ganz ehrlich, wer würde das Lego-Flugzeug nicht vorziehen? Aber auch diese Erfahrung ist wertvoll, denn ich habe während meines Aufenthaltes sowohl Ideen für die Zukunft mitgenommen als auch gesehen, wie ich es zukünftig nicht handhaben möchte.

Highlights aus den Highlands

Eines meiner Highlights während meines Aufenthaltes waren die Gälisch-Lektionen, weil mir wiedermal vor Augen geführt wurde, wie es ist, eine Sprache nicht zu verstehen. Auch nachdem mir ein Kind drei Mal vorsprach, wie ich ausdrücken konnte, dass ich mich heute glücklich fühlte, klangen meine gälischen Worte eher nach Kauderwelsch. Was mich positiv inspirierte, waren auch die zwei Vormittage «Outdoor Learning», welche die ganze Schule im auf dem Schulareal angesiedelten kleinen Wald mit Spielen, Bauen und Malen verbrachte. Ob es die Bäume schätzten, angemalt zu werden, bin ich nicht sicher, aber das Prinzip, die Natur kennenzulernen, hat mir sehr gut gefallen. In der zweiten Woche stand der «MOD» vor der Tür, ein gälischer Chorwettbewerb, für welchen die ganze Primarstufe über mehrere Wochen zwei Lieder eingeübt hatte und bei dem sie bereits zum zweiten Mal als Sieger retourkamen. Die Chance dafür war relativ gross, da nur zwei Schulen am Wettbewerb teilnahmen. Über die drei Wochen habe ich mehrere Inputs (inklusive Schellen-Ursli) zur Schweiz gemacht, welche den Kindern einen Eindruck unseres Landes ermöglichten und zum Fazit führten: So anders als die Schotten sind die Schweizer gar nicht! (ausser, dass sie unter ihren Röcken etwas tragen, vielleicht…)

Wieder etwas mehr im Rucksack voller Erfahrungen fürs Leben!